Felix Ruhöfer
Wiebke Grösch und Frank Metzger beweisen in ihrer langjährigen kreativen Arbeit immer wieder, wie eine diskursive künstlerische Auseinandersetzung mit urbanen Prozessen ein umfassendes Reflexionsfeld für die Beschäftigung mit dem sozialen Status quo eröffnen kann, ohne dabei explizit politisch zu agieren. Die 2009 entstandene dokumentarische Fotoserie, die das in den 1990er Jahren geschlossene und seitdem dem Verfall überantwortete Offenbacher Tambourbad kurz vor der Umgestaltung des Areals portraitiert, kann daher als kongeniale Weiterentwicklung früherer Arbeiten der KünstlerInnen angesehen werden.
Fragen nach urbanen Verschiebungen und deren unmittelbaren Auswirkungen auf den sozialen Raum durch projektierte Neustrukturierungen bildeten bereits in einer Reihe früherer Arbeiten von Grösch und Metzger konstituierende Momente ihres Schaffens. Utopistische Momente architektonischer Projekte werden hierbei oft in einer zeitlichen Schleife beschrieben, die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der sozialen Auswirkungen dieser Vorhaben zusammenführen und zugleich eine kritische Befragung der gesellschaftlichen Auswirkungen dieser Planungen aufnehmen.
Das Zusammenfließen von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bildet auch das grundlegende Motiv der Dokumentation ‚Tambourbad‘.
Die vorliegende Publikation wird von Wiebke Grösch und Frank Metzger mit Archiv-Abbildungen des Bades eröffnet, die den Ort als urbanen, funktionalen Ort beschreiben, der ein Idealbild der Freizeitvorstellungen der bundesdeutschen Wohlstandsgesellschaft in der Nachkriegszeit zeichnet. Als programmatischer Einstieg in die dokumentarische Vorstellung des aktuellen Geländes wählen die KünstlerInnen bewusst ein Bild überbordenden Grüns, worin allerdings kein Verweis auf die Natur als romantisches Sujet evoziert wird, sondern viel mehr verweisen die offensichtlich schnell gewachsenen, schmalen Stämme der Birken und Sträucher auf ein durchgehendes Motiv der Bildserie, die das Zurückkehren der Natur als Verlust urbanen Raums, als Überwältigung eines kulturell geprägten Ortes vorstellt. Damit beschreiben sie einen radikalen Schnitt gegenüber den Darstellungen der Vergangenheit, die das Tambourbad als soziales Feld von Kommunikation, Erholung und sportlicher Aktivität beschreibt.
Gleich in den nächsten Abbildungen wird die sich über das gesamte Areal ausbreitende Natur nicht als traditionelle Landschaftsfotografie lesbar, viel mehr wird hier das chaotische, beunruhigende Wuchern der Natur in Szene gesetzt, das jedes Zeichen einer menschlichen, kulturellen Setzung für immer zu verdrängen droht. Dynamisch erscheint dabei nicht mehr der Ort als urbaner Raum, es handelt sich viel mehr um einen Nicht-Ort, der keinerlei Funktionalität mehr besitzt, der von einer nicht-intentionalen Kraft des Wachstums, der schnell wachsenden Pflanzen, eingenommen wird. In Opposition dazu erscheinen die sichtbaren Reste der Anlage, der Sprungturm, die Funktionsgebäude, die Wasserrutsche und die Schwimm-becken selbst als starre Zeugen des Verlusts. In besonderer Weise erscheint die Aufnahme des Treppenturmes der Wasserrutsche, der sich im Hintergrund zwischen dem erdrückenden Grün noch als Senkrechte behauptet, als Versprechen einer urbanen Utopie, die dem Vergessen übereignet ist. (...)
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