Nina Herlitschka / Bettina Steinbrügge
„(…) Wiebke Gröschs und Frank Metzgers seit dem Beginn ihrer gemeinsamen künstlerischen Tätigkeit konsequent verfolgte Arbeitsweise, ihr formaler Umgang mit heterogenen Elementen und Medien, basiert auf einem klaren Blick. Ausgehend von präzisen Analysen werden Beziehungen hergestellt, wobei jederzeit, oftmals auch spielerisch, die Möglichkeit von Widerstand evoziert und Handlungsspielräume aufgezeigt werden. (…)
Wie wird Kunst zum Analyseinstrument für gesellschaftliche Vorgänge? Wodurch kann Kunst ein diskursives Bewusstsein aktivieren? Die Erweiterung des Kunstbegriffs in den frühen 1970er-Jahren und die damit verbundene ästhetische Dimension des Politischen bilden einen Kernpunkt in den Arbeiten von Grösch und Metzger. Seit Längerem schon greifen Künstlerinnen und Künstler auf Recherchepraktiken wie Mapping, Komparatistik, Geschichts- und Biografieforschung, Interviews und Statistiken zurück, die im Ausstellungskontext nicht als Wissenschaft, sondern als recherchebasierte Kunst wahrgenommen werden. Mit anderen Worten, systematisch angewandtes Wissen wird als Darstellungsmodell in einen künstlerischen Diskurs übersetzt. Wiebke Grösch und Frank Metzger reihen sich damit ein in eine Gruppe von Künstlern wie Andrea Fraser oder Hans Haacke, die die künstlerische Forschung als Grundlage ihrer Arbeiten sehen. Seit der konzeptualistischen Wende ist die künstlerische Arbeitsweise nicht mehr reduzierbar auf Mittel zur Bilderzeugung, sondern es geht in weiterer Folge um künstlerische Strategien, die sich mit Wissensproduktion auseinandersetzen. So ist es künstlerischer Forschung auch möglich, Formen des wissenschaftlichen Arbeitens zu erweitern.
Es geht hier letztlich auch um Bildforschung. Die Analyse von Bildern und ihre Appropriation sind Arbeitsweisen, die den Weg zur künstlerischen Forschung geebnet haben, und ein gutes Beispiel für den Übergang von der reinen Recherche zur Forschung.Es geht aber genauso um ein komplexes Interesse an Inhalten, die sich aus den verschiedensten Bereichen wie Theater, Politik und Gesellschaft zusammensetzen, um dann in einer künstlerischen Arbeit in einen Zusammenhang gebracht zu werden. Wiebke Grösch und Frank Metzger stellen diese Parameter zur Diskussion, indem sie mit Überschneidungen (wie bei „Steadicam“) und direkter Gegenüberstellung (z. B. „European Theatre“) auf eine Form der künstlerischen Forschung hinweisen, die sich auf eine komplexe Vernetzung von Inhalten stützt. Auch in ihren installativenWerken geht es um das Aufbrechen (z. B. „Dies alles, Herzchen, hat einmal uns gehört“) und Analysieren (etwa in „Ohne Titel“) gesellschaftlicher Strukturen sowie das Offenlegen der dazugehörigen Prozesse (z. B. „Ich werde hier sein, im Schatten und im Licht“). Sie unterlaufen dabei die diskursive Macht wissenschaftlicher Klassifizierung, indem sie eine kalkulierte Unschärfe und Mehrdeutigkeit in ihre Arbeit einfließen lassen (z. B. „A Village in the City, Disappearing“). Es ist die Rückführung auf die Heterogenität des Sprechaktes, die diese künstlerische Forschung so relevant für das Heute werden lässt. Dirck Möllmann schreibt dazu sehr treffend: „Kunst konnte immer dann in gesellschaftliche Wirklichkeit eingreifen, wenn sie ihren Status als Ware und Mittel sozialer Distinktion veränderte, mitunter kaum noch als Kunst zu erkennenwar. Wenn [k]ünstlerischer Forschung dies gelänge, wäre das komischerweise echt Avantgarde.“
Auszug des Textes aus „Wiebke Grösch / Frank Metzger – Dies alles, Herzchen, hat einmal uns gehört“, 2012.
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